Previous Page  64 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 64 / 68 Next Page
Page Background

ILLUSTRATION: SABRINA MÜLLER

HAMBURGER WIRTSCHAFT 12 / 16 

IM FOKUS

64

Ein Gesetz mit Tücken

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat seine Aufgabe erfüllt:

Nach langem Ringen gelang eine Einigung bei der Erbschaftsteuerreform.

U

nterm Strich kann man es als posi-

tiv bewerten, dass es im September

eine Einigung bei der Erbschaft-

steuerreform gab. Immerhin haben eigen-

tümer- und familiengeführte Unterneh-

men sowie ihre Nachfolger nun endlich

Rechtssicherheit – zumindest auf dem Pa-

pier. Nach der Verabschiedung des Geset-

zes – die Regelungen treten rückwirkend

zum 1. Juli 2016 in Kraft – werden aller-

dings noch erhebliche Klarstellungen auf

dem Wege eines Verwaltungserlasses vor-

genommen werden müssen.

Positiv ist, dass mit der Neuregelung

die Grundlage der Erbschaftsteuer – näm-

lich die Bewertung von Firmen – realis­

tischer gestaltet wurde. Bei dem häufig

angewendeten „Vereinfachten Ertragswert­

verfahren“ wurde der entscheidende Mul-

tiplikator des durchschnittlichen Jahres-

ertrags von derzeit knapp 18 auf 13,75

gesenkt. Das liegt für viele Betriebe noch

immer deutlich über dem Marktwert. Es

führt aber die der Besteuerung zugrunde

liegenden Unternehmenswerte doch nä-

her an die Praxis heran und reduziert da-

mit die Steuerbelastung.

Zudem werden – wie von der IHK-Organisation gefordert – endlich auch die

bei Familienunternehmen typischen Ver-

fügungsbeschränkungen berücksichtigt.

Wenn etwa die Entnahme von Gewinnen

und die Abfindungen beim Ausscheiden

eines Gesellschafters vertraglich begrenzt

sind, kann ein Abschlag von bis zu 30 Pro-

zent auf den Wert des begünstigten Be-

triebsvermögens vorgenommen werden.

Die satzungsmäßigen Beschränkungen

müssen aber zwei Jahre vor und 20 Jahre

nach dem Erbfall Bestand haben.

Allerdings ist der Gesetzestext gerade

bei den Vorgaben für diese maximal mög-

liche Gewinnentnahme nicht konkret ge-

nug und deshalb so in der Praxis kaum

anwendbar. Unklar ist zum Beispiel, wie

nungsabschlag von 85 beziehungsweise

100 Prozent schrittweise, je deutlicher der

Wert des Erbes die 26 Millionen Euro

überschreitet.

Allerdings wurde zugleich die Mög-

lichkeit eingeschränkt, überhaupt die 100-

prozentige Verschonung in Anspruch zu

nehmen. Das ist nur noch möglich, wenn

das Verwaltungsvermögen nicht mehr als

maximal 20 Prozent des Betriebsvermö-

gens ausmacht. Hier muss die Finanz­

verwaltung dringend klären, ob bei der

Berechnung dieser Quote auch die Ver-

bindlichkeiten der Firma berücksichtigt

werden können. Die Inanspruchnahme

einer Stundung wurde ebenfalls von zehn

auf sieben Jahre eingeschränkt. Sie ist

auch nur noch im ersten Jahr zinslos; für

die weiteren Jahresbeträge werden hohe

Zinsen von aktuell sechs Prozent fällig.

Das Gesetz wird Herausforderungen

mit sich bringen, weil bei jeder Detail­

regelung auf den genauen Bezugswert zu

achten ist. Mal ist das der Wert der Schul-

den, dann der Wert des Betriebsvermö-

gens, an anderer Stelle der Wert des be-

günstigten Vermögens oder auch der des

Netto- oder Bruttoverwaltungsvermögens.

Hier müssen die Verwaltungserlasse drin-

gend für Klarheit sorgen.

Unterm Strich wird der Mittelstand

durch die Neuregelungen insgesamt auf

jeden Fall steuerlich stärker belastet. Des-

halb sollten Steuerentlastungen für diese

Gruppe ganz oben auf der wirtschaftspoli-

tischen Agenda der kommenden Jahre ste-

hen. Abschließend muss für die Anwen-

dung des Erbschaftsteuerrechts und die

Steuerpolitik insgesamt festgestellt wer-

den: Es bleibt noch Eini-

ges zu tun!

Jutta Thormann

jutta.thormann@hk24.de

Telefon 36138-351

der „steuerrechtliche Gewinn“ zu bestim-

men ist. Die meisten Gesellschaftsverträ-

ge beziehen sich nicht auf diese Größe,

sondern auf den handelsrechtlichen Ge-

winn. Bei mehrgliedrigen Unternehmen

muss zudem auf den Konzernabschluss

abgestellt werden, sonst läuft die Rege-

lung bei diesen Firmen ins Leere.

Gut ist, dass Erwerber von großen

Unternehmensanteilen (über 26 Millionen

Euro) die Möglichkeit erhalten, sich statt

einer Verschonungsbedarfsprüfung – in-

klusive des Einsatzes der Hälfte des Pri­

vatvermögens – für ein Abschmelzen des

Verschonungsabschlags zu entscheiden.

In diesem Fall verringert sich der Verscho-

WIR

BERATEN

UNTERNEHMEN

ALTERSVORSORGE ÜBER GENERATIONEN