ALTERSVORSORGE ÜBER GENERATIONEN
ILLUSTRATION: SABRINA MÜLLER
Unternehmern fällt es leichter, an den eigenen Ruhestand zu denken, wenn die Nachfolge
gründlich und frühzeitig geregelt ist. Die Handelskammer unterstützt dabei.
Bitte übernehmen Sie!
E
dda Binné hat den Schritt in die
Selbstständigkeit gewagt, indem sie
2009 das Stoffkontor im Kaufmanns-
haus übernommen hat. Bereut hat sie die
Entscheidung nicht – trotz einiger Proble-
me, vor allem beim Umbau der Passage in
den Großen Bleichen. „Auch sieben Jahre
später kann ich sagen, dass ich mich wie-
der für die Übernahme entscheiden wür-
de“, sagt Binné. „Mit Blick auf die Lage im
stationären Einzelhandel würde ich aller-
dings viel früher und intensiver mit dem
Aufbau eines Onlineshops beginnen.“
Wer als Gründer ganz neu startet,
kann ein Unternehmen nach seinen Vor-
stellungen aufbauen. Mit einem Neustart
ist in der Regel aber eine längere Anlauf-
phase verbunden, für die finanzielle Re-
serven nötig sind. „Die Firma braucht erst
einen gewissen Bekanntheitsgrad und ein
Kundenstamm muss aufgebaut werden“,
erklärt René Grothkopp, Gründungsbera-
ter bei der Handelskammer. „Das läuft
nicht immer wie geplant und ist oft mit
Herausforderungen verbunden.“
Das war allerdings nicht der Grund,
weshalb sich Binné für eine Übernahme
entschieden hat. „Mich haben der Laden
und die Produkte begeistert. So ein Ge-
Britta Heegardt
britta.heegardt@hk24.deTelefon 36138-317
HAMBURGER WIRTSCHAFT 12 / 16
IM FOKUS
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schäft habe ich mir für meine Selbststän-
digkeit gewünscht“, erzählt sie. „Dass be-
reits ein Kundenstamm, kompetente Mit-
arbeiter, Kontakte zu Lieferanten und so
weiter vorhanden waren, war ein großer
Vorteil.“ Zudem habe die frühere Inhabe-
rin sie eine Weile als Beraterin begleitet.
Etwas anders lief die Übernahme bei
Karola Reifberger ab. Seit Anfang Juli ge-
hört ihr das Geschäft Rustikal & Schön in
Volksdorf. Schon mehr als 40 Jahre lang
werden dort unter anderem fair produ-
zierte Handwerkskunst, Möbel, Keramik,
Heimtextilien sowie Bekleidung angebo-
ten. Durch den Tipp einer Freundin hat
Reifberger das Geschäft in der Unterneh-
mensnachfolgebörse nexxt-change
( www. nexxt-change.org )entdeckt.
„Für mich war es nicht ganz so ein-
fach, da Mitarbeiter und Geschäftsräume
bereits gekündigt waren“, berichtet die
Unternehmerin. „Inzwischen ist alles ge-
regelt. Alle früheren Mitarbeiter wurden
übernommen und ein neuer Mietvertrag
ist abgeschlossen.“ Auch renoviert hat sie
die Räume mittlerweile. „Ich kann nur je-
dem raten, einen ausreichenden Finanz-
puffer einzuplanen. Investitionen werden
immer teurer als erwartet“, betont sie.
Laut dem Institut für Mittelstands-
forschung (IfM) in Bonn steht von 2014
bis 2018 in rund 135000 Familienbetrie-
ben die Übergabe an. Davon sind etwa
zwei Millionen Arbeitnehmer betroffen.
Doch nicht immer finden Unternehmer
einen geeigneten Nachfolger. Häufig gibt
es Schwierigkeiten, denn vor einer Über-
gabe sind in der Regel zahlreiche Rechts-
und Steuerfragen zu klären.
„Wer eine Firma übernehmen möch-
te, sollte nicht nur die Umsatz- und Ge-
winnentwicklung der letzten Jahre und
die Angemessenheit des Kaufpreises ge-
nau prüfen, sondern auch klären, ob be-
stehende Verträge oder Vereinbarungen
wie Mietverträge, Lieferantenkonditionen,
Versicherungen, steuerliche Verbindlich-
keiten oder Arbeitsverhältnisse übernom-
men werden können oder sogar müssen“,
rät Grothkopp. „Die Zukunftsaussichten
der Branche, der Ruf des Unternehmens
und des Inhabers sowie der Grund für
den Verkauf sind auch wichtige Punkte,
die überprüft werden sollten.“