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Ex t r a - Jou r na l :

Wi r t scha f t d i g i t a l

Industrie 4.0

Segen

oder

Fluch

für

Beschäftigte?

Mehr Digitalisierung gleich weniger Arbeit: Diese vermeintlich

einfache Gleichung ist in der Realität deutlich komplexer und enthält

zudem zahlreiche Variablen.

D

er durch die Digitalisierung getriebene

Wandel durchdringt alle Branchen und

sämtliche Glieder der Wertschöpfungskette.

Damit ist die Digitalisierung ein wesentlicher

Bestandteil und die Triebfeder einer als Indus­

trie 4.0 bezeichneten Entwicklung. Bezogen

auf industrielle Arbeit ermöglicht beispiels­

weise das digitale Sammeln und Auswerten

von Sensordaten neue Möglichkeiten, um die

Effizienz von Arbeitsschritten zu messen und

auf den Prüfstand zu stellen. Eine wichtige

Frage lautet daher: Wie wird die Digita­

lisierung die künftige Entwicklung der

industriellen Arbeit beeinflussen?

Einen Dialog über die Zukunft der Ar­

beitsgesellschaft will das Bundesarbeits­

ministerium nun mit Experten aus der

Wissenschaft so­

wie Vertretern der

Sozialpartner, von

Verbänden und aus

der Wirtschaft führen.

Grundlage dafür ist

das 2015 veröffentlichte Grünbuch „Arbeiten

4.0“. Darin heißt es: „Industrie 4.0 kann nur

zum Erfolg werden, wenn Arbeit sich an den

Bedürfnissen der Beschäftigten ausrichtet.“

In seiner Stellungnahme dazu geht der

Deutsche Industrie- und Handelskammertag

(DIHK) explizit auf diese Aussage ein und kriti­

siert den einseitigen Ansatz: „Auch aus Sicht

der IHK-Organisation sind die Bedürfnisse der

Beschäftigten von elementarer Bedeutung. (…)

Ebenso notwendig sind die Bedürfnisse der

Betriebe und natürlich der Kunden, die die

Dienstleistungen und Produkte nachfragen

und bezahlen. Hier gilt es, einen Einklang zu

finden, der vielfach möglich ist und in der Re­

gel am besten von den Akteuren vor Ort ge­

funden werden sollte, um individuelle

Aspekte zu berücksichtigen.“

Der DIHK plädiert für eine partner­

schaftliche Zusammenarbeit von Politik,

Wirtschaft und Gewerkschaften und will

einer Frontenbildung beim Thema Arbeits­

entwicklung entgegenwirken. Der DGB Nord-Die Digitalisierung der industriellen

Produktion wird Arbeit in Echtzeit

sicht- und messbar machen

hamburger

wirtschaft

02/2016

Illustrationen: gutentag-hamburg

Internet

Weitere Informationen zum Thema

Industrie 4.0, dem Hamburger Forum

Industrie 4.0 sowie der Hamburger Dialog-

plattform Industrie 4.0 finden Sie unter

www.hk24.de

, Dokument-Nr. 117117

Vorsitzende Uwe Polkaehn sieht das ähnlich:

„Im Zuge der Digitalisierung sind Arbeitspro­

zesse neu zu gestalten. Hier braucht es klare

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Ge­

werkschaften und Politik. Mehr Mitbestim­

mung für kreativere Lösungen ist das Ziel.“

Als Leiter des Instituts für Logistik und Un­

ternehmensführung an der Technischen Uni­

versität Hamburg-Harburg beschäftigt sich

Prof. Wolfgang Kersten intensiv damit, wie

Industrie 4.0 die Arbeitswelt verändern wird.

„Es gibt viele Studien, die Rechenmodelle auf­

machen, wie viele Arbeitsplätze in der Industrie

durch die aktuellen Entwicklungen wegfallen

und wie viele neu entstehen. Genaue Progno­

sen sind allerdings fast so schwierig wie eine

zutreffende Wettervorhersage für Weihnach­

ten“, sagt Kersten au­

genzwinkernd.

Dennoch helfe diese

Vorausschau den Fir­

men, frühzeitig Hand­

lungsbedarfe in der Or­

ganisation und Qualifikation zu identifizieren,

räumt Kersten ein und ergänzt: „Die tatsäch­

liche Entwicklung wird allerdings auch von

Variablen beeinflusst werden, die wir heute

noch nicht so genau kennen, wie zum Beispiel

die Dynamik der weiteren Entwicklung oder

die Veränderung ganzer Geschäftsmodelle.“

Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass die

relevanten Zukunftsfragen von Wissenschaft

undWirtschaft gemeinsam gestellt und beant­

wortet werden sollten. Auch deshalb engagiert

er sich ehrenamtlich in der Hamburger Dialog­

plattform Industrie 4.0, die Anfang 2015 auf

Initiative der Handelskammer mit Industrie­

verbänden und Hochschulen gegründet wurde.