hamburger
wirtschaft
01/2016
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Ed i t o r i a l
Fritz Horst Melsheimer
Präses der Handelskammer Hamburg
D
as Ergebnis des Volksentscheids über die
Olympischen und Paralympischen Spiele
in Hamburg im Jahr 2024 war ein schwerer
Schlag ins Kontor und wirft für mich die Frage
nach der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt auf.
Die Hamburger haben sich beim Referendum
nicht nur gegen Olympia, sondern auch gegen
ein milliardenschweres Investitions- und
Marketingprogramm entschieden, das
maßgeblich der Bund finanziert hätte. Eine
einmalige Chance zum nachhaltigen Ausbau
der Infrastruktur – vom öffentlichen Nah-
verkehr bis hin zur Barrierefreiheit – und zur
Steigerung der internationalen Bekanntheit
wurde nicht realisiert.
Viele Menschen in Hamburg, in Kiel und in der
Metropolregion, die für die olympische Idee
gebrannt haben, sind enttäuscht. Hamburg
hatte sich aufgemacht, nicht nur das Tor zur
Welt zu sein, sondern auch das Tor der Welt
nach Deutschland. 325000 Hamburger haben
am 29. November entschieden, dieses Tor
nicht zu öffnen.
Natürlich ist diese demokratische Entschei-
dung zu akzeptieren und zu respektieren.
Trotzdem lohnt es sich, nicht einfach zur
Tagesordnung überzugehen, sondern über die
Hintergründe nachzudenken.
Schuldzuweisungen sollten dabei allerdings
vermieden werden. Die Zusammenarbeit aller
Beteiligten war außergewöhnlich gut. Nie
zuvor haben Politik, Sport, Kultur, Wirtschaft
und Medien so einmütig an einem Strang
gezogen. Auch an der notwendigen Bürger-
beteiligung hat es nicht gefehlt.
Zu Recht wurde daher die Frage erörtert,
wie es sein kann, dass sich der Senat und
85 Prozent der Bürgerschaft für ein Projekt
aussprechen und trotzdem nicht die Zustim-
mung der Bevölkerung erhalten. Sicher haben
auch die äußeren Umstände eine Rolle
gespielt. Über den Einfluss der Flüchtlings-
problematik, der Korruptions- und Doping-
skandale im organisierten Sport und die Frage
der Finanzierung ist viel gesprochen und
geschrieben worden. Jeder dieser äußeren
Aspekte hat einen Beitrag zum Ausgang des
Referendums geleistet.
Im Nachgang der Entscheidung wurde aber
auch – nicht nur in Hamburg – über das
Verhältnis von direkter Demokratie und
repräsentativer Demokratie diskutiert. Ist
nicht das so deutliche Auseinanderfallen
des Willens der Wähler und des Willens der
Gewählten ein bedenkliches Signal?
Es scheint, als würden sich die repräsentative
und die direkte Demokratie in Hamburg
gegenseitig blockieren. Für Entscheidungen
von großer Tragweite für die Zukunft unseres
Standorts und die damit verbundenen Arbeits-
plätze ist dies eine gefährliche Entwicklung.
Die repräsentative Demokratie ist im poli-
tischen System Deutschlands historisch fest
verankert. Im Rahmen dieser Regierungsform
konnte sich Deutschland nach dem Zweiten
Weltkrieg zu einem der stabilsten und
wohlhabendsten Länder der Welt entwickeln.
Vor diesem Hintergrund habe ich Zweifel
daran, dass das Verhältnis von direkter
Demokratie zur repräsentativen Demokratie
derzeit so ausgestaltet ist, dass langfristige
strategische Entscheidungen, die wirtschaft-
liche Entwicklung ermöglichen, effektiv
getroffen werden können.
Wir sollten das vor uns liegende Jahr für
eine diesbezügliche Debatte nutzen. Und wir
brauchen auch und gerade nach Olympia ein
neues Zielbild für die Gestaltung unserer
Stadt, für das wir dann wieder „Feuer und
Flamme“ sind.
„Es scheint, als würden sich
die repräsentative und die
direkte Demokratie in Hamburg
gegenseitig blockieren“
Olympia-Referendum
Ein Schlag ins Kontor
Foto: Christian Stelling